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Im Gespräch mit Dr. Zoritza Kiresiewa

© Zoritza Kiresiewa

Dr. Zoritza Kiresiewa ist Fellow am Ecologic Institut und forscht zu den Themen Bioökonomie und nachhaltige Entwicklung. Wie können regionale Bioökonomie-Strategien entwickelt werden, die eine nachhaltige Nutzung land- und forstwirtschaftlicher sowie maritimer Ökosysteme im Kontext der Bioökonomie anstreben? Wie kann man sicherstellen, dass alle wichtigen Akteur*innen daran teilnehmen und dass möglichst viele Interessen und Nutzungsansprüche berücksichtigt werden? Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigt sie sich aktuell im Rahmen verschiedener EU-geförderter Projekte, darunter BioSTEP, BE-Rural und einem vom UBA geförderten Projekt zur Bioökonomie und den SDGs.
Im Rahmen des Projektes „Nachhaltige Ressourcennutzung – Anforderungen an eine Nachhaltige Bioökonomie aus der Agenda 2030/SDG-Umsetzung“ hast du an einer Studie mitgewirkt, welche die Ziele und die wesentlichen Merkmale aller relevanten politischen Bioökonomie-Strategien untersucht. Zu welchem Ergebnis seid ihr gekommen?
Wir haben uns eine Reihe von dezidierten Bioökonomie-Strategien weltweit angeguckt und sind zum Ergebnis gekommen, dass ökonomische Ziele oft im Vordergrund stehen. Auch der Schaffung von Arbeitsplätzen und die Wiederbelebung des ländlichen Raums („Rural Renaissance“) durch die Entwicklung der Bioökonomie wird eine hohe Priorität gegeben. Umweltbelange dagegen, auch wenn sie in der Regel in den Strategien aufgeführt werden, werden nicht derart hervorgehoben. Ähnlichkeiten gibt es auch bei der Akteurseinbindung: Zwar weisen viele Strategien Partizipationsansätze auf, dabei handelt es sich aber vor allem um Akteure aus Forschung, Wissenschaft und Politik (die sogenannte „Triple-Helix-Kooperation“). Zivilgesellschaftliche Organisationen werden dahingegen häufig nur ansatzweise eingebunden. Sie werden manchmal konsultiert oder kriegen die Gelegenheit, Dokumente/Strategien zu kommentieren, so eine Beteiligung nehmen sie aber als eine Art „Feigenblatt-Partizipation“ wahr.
Eine mögliche Antwort auf die identifizierten Probleme ist ja die partizipative Gestaltung der Bioökonomie. Was ist damit gemeint und wie kann das in der Praxis aussehen?
Wie ich oben bereits erwähnt habe, werden bei der Strategie-Entwicklung hauptsächlich Akteure aus der sogenannten „Triple-Helix“ beteiligt, während zivilgesellschaftliche Organisationen weitgehend außen vor bleiben. So eine zivilgesellschaftliche Beteiligung ist aber sehr wichtig, besonders vor dem Hintergrund, dass die Bioökonomie mit einer „gesellschaftlichen Transformation“ einhergehen sollte – wie in vielen Strategien explizit hervorgehoben wird. Zivilgesellschaftliche Organisationen können komplexe politische Fragestellungen (und mögliche Antworten) an die Bevölkerung vermitteln, der Politik ein Bild der öffentlichen Meinung spiegeln, Schwachpunkte in Strategien aufdecken, aber auch andere Interessen einbringen. In Deutschland hat es in dieser Hinsicht in den letzten Jahren einige Fortschritte gegeben, so trifft man z.B. immer öfter auf zivilgesellschaftliche Akteure bei Workshops und Konferenzen. Das UBA fördert außerdem das Aktionsforum Bioökonomie, in dessen Rahmen zivilgesellschaftliche Akteure ihre Forderungen nach einer ökologisch und sozial gerechten Bioökonomie äußern können. Dennoch reicht eine Beteiligung allein nicht aus. Entscheidend ist, dass die Bedürfnisse der Zivilgesellschaft in Politik- und Forschungsagenden integriert werden.
Im Projekt BioSTEP habt ihr versucht, eine informative und offene Diskussion über zukünftige bioökonomische Entwicklungen sowie ein allgemeines Bewusstsein für mögliche Auswirkungen zu schaffen. Wie habt ihr das gemacht?
BioSTEP war unser erstes Projekt im Bereich der Bioökonomie. Besonders wichtig war uns, die Zivilgesellschaft stärker einzubeziehen und einen transparenten und fundierten Dialog anzustoßen. Dafür haben wir viele Partizipationsinstrumente genutzt und erprobt: von Ausstellungen mit biobasierten Produkten über Workshops und Konferenzen bis hin zu Reallaboren in zwei Fallbeispielregionen in Bulgarien und Italien. Unsere Lessons Learnt haben wir in diesem Bericht zusammengefasst.
In den drei Jahren von BioSTEP haben wir viel gelernt. Die Bioökonomie ist ein sehr komplexes Thema – Lücken in der Wissenschaft und unterschiedliche Interessen von Akteuren erschweren hier einen informativen und offenen Diskurs. Auf dem Weg zu einer fundierten Entscheidung darüber, wann biobasierte Alternativen nachhaltiger sind als ihre fossilen Gegenstücke sind noch viele Schritte nötig. So benötigen wir beispielsweise noch mehr Wissen und Daten über die Verfügbarkeit von Biomasse, verlässliche Ökobilanzierungen (LCA) und gut definierte Nachhaltigkeitskriterien und –standards.
Das Projekt BE-Rural setzt einen Fokus auf ländliche und regionale Entwicklung. Welche Bedeutung haben denn ländliche Regionen für die Bioökonomie bzw. welche Herausforderungen und Chancen ergeben sich für ländliche Regionen?
Die Revitalisierung ländlicher Regionen stellt insbesondere für politische Akteure ein großes Potenzial der Bioökonomie dar. Inwieweit der Wandel zu einer biobasierten Wirtschaft auf regionaler Ebene umgesetzt werden kann, variiert jedoch stark zwischen europäischen Regionen. Schätzungsweise können mehr als ein Drittel der Regionen das vorhandene Potenzial nicht aus eigener Kraft voll ausschöpfen und nur langsam neue biobasierte, wirtschaftliche, soziale und ökologische Vorteile generieren.
Hier setzt BE-Rural an. Unser Ziel ist es, regionale Akteure bei der Entwicklung von Bioökonomie-Strategien zu unterstützen. Besonders wichtig ist für uns, dass diese Strategien eine nachhaltige Nutzung land- und forstwirtschaftlicher sowie maritimer Ökosysteme im Kontext der Bioökonomie anvisieren und möglichst viele Akteure in die Entwicklung einbezogen werden. Ein großer Vorteil ist, dass das Projekt auf den Erfahrungen aus BioSTEP aufbauen kann. Wir streben eine effektive Beteiligung der Bevölkerung in der Debatte über die regionale Entwicklung der Bioökonomie an und versuchen dabei die Frage zu beantworten, wie die Bioökonomie in ihrer Komplexität der interessierten Öffentlichkeit wirksam vermittelt werden kann. Nur so kann die Grundlage für einen informativen und transparenten Diskurs über zukünftige Entwicklungen der Bioökonomie geschaffen werden.