Im Gespräch mit Helmut Wüstner

© Helmut Wüstner

© Lernstandorte der Bioökonomie in der Region Weser-Ems

Lernort Gramoflor

© Lernstandorte der Bioökonomie in der Region Weser-Ems

Lernort NOVAgreen

Die Universität Vechta und das 3N Kompetenzzentrum (Werlte) arbeiten seit 2017 im DBU-geförderten Umweltbildungsprojekt „Lernstandorte der Bioökonomie in der Region Weser-Ems“. Ziel ist es, das Thema Bioökonomie in der institutionellen Bildung zu verankern und Schüler*innen für eine aktive Mitgestaltung der Bioökonomie zu gewinnen. Wir haben mit Helmut Wüstner vom Kompetenzzentrum Regionales Lernen der Uni Vechta gesprochen, wie dies gelingen kann.

Was ist denn eigentlich „Regionales Lernen“?

Dabei geht es um außerschulisches und handlungsorientiertes Lernen im Nahraum. Ausgangspunkt ist die originale Begegnung mit dem jeweiligen Lerngegenstand. Durch das Sammeln von Primärerfahrungen wird die Grundlage dafür gelegt, dass Lernende Vorstellungen erwerben und darauf aufbauend Werte entwickeln können. Das Bildungskonzept Regionales Lernen 21+ basiert auf der Bildung für Nachhaltige Entwicklung und führt nachweislich zu einer Erhöhung von Gestaltungskompetenz und regionaler Identität. Menschen und Orte der Region werden bildungswirksam und Möglichkeiten der Partizipation eröffnet.

Beim Regionalen Lernen 21+ sind unterschiedliche, thematisch-inhaltliche Perspektiven miteinander vernetzt. Es treffen beispielsweise die geographische, die ökonomische, die ökologische und die naturwissenschaftlich-technische Perspektive beim Thema Bioökonomie aufeinander.

Im Rahmen der UN-Dekade Bildung für Nachhaltige Entwicklung wurde das Bildungskonzept als Maßnahme ausgezeichnet.

Und welche Rolle spielt Regionales Lernen für die Bioökonomie?

In Kreisen von Politik, Forschung und Wirtschaft werden bereits seit vielen Jahren die Ideen der Bioökonomie thematisiert. In der Bildung sind sie dagegen bisher nicht etabliert. Bioökonomie als Bestandteil schulischer Bildung stärkt die zukünftige Partizipation der Gesellschaft an dem Transformationsprozess.

Bioökonomie kann durch Erlebnisse im Nahraum an authentischen Lernorten, wie zum Beispiel in produzierenden Unternehmen, in seinem originalen Zusammenhang dargestellt werden. Den Lernenden erschließt sich dabei, in welchem Zusammenhang die Bioökonomie mit der eigenen Lebensrealität steht. Sie lernen, wie sie sich durch eigenes Verhalten im Alltag und später im Berufsleben bewusst für einen bioökonomischen Wandel in der Wirtschaft einsetzen können.

Ein besonders guter Ansatzpunkt für das Thema Bioökonomie in der Schule ergibt sich im Bereich der Berufsorientierung. Denn für die Förderung der Berufswahlkompetenz ist es erforderlich, Praxiskontakte mit der Arbeitswelt zu ermöglichen.

Um den Wissenstransfer in die Gesellschaft zu fördern und Partizipation vor Ort zu stärken, habt ihr sogenannte Lernorte eingerichtet. Wie sehen diese aus und an wen richten sie sich?

Die Lernorte sind Unternehmen der Region Weser-Ems, die unterschiedlichste Dinge produzieren. Von Mikroalgen bis Holzbau, über Naturfarben und -Lacke, torffreie Erden und Kunststoffrecycling besteht eine breite Themenvielfalt. In den Unternehmen erkunden die Schüler*innen die Produktion und auf welche Weise das Unternehmen Grundlagen der Bioökonomie umsetzt. Die Zielgruppe sind Schüler*innen ab Klasse 9 aller Schulformen einschließlich der Berufsbildungseinrichtungen.

Im Fokus der Betriebserkundungen stehen handlungsorientierte Aufgaben und der Kontakt mit den Expert*innen (Mitarbeitende des Unternehmens) vor Ort. Die Schüler*innen werden in Kleingruppen aktiv und erarbeiten sich die Lerninhalte selbstständig. Die Lehr-Lern-Materialien werden am Kompetenzzentrum Regionales Lernen entwickelt. Die Lehrer*innen erhalten Materialien zur Vor- und Nachbereitung der Betriebserkundungen in der Schule, die Unternehmen zur Durchführung der Erkundungen vor Ort.

Wie ist denn das Feedback der Schüler*innen? Wie kommt das Thema Bioökonomie bei ihnen an?

Die Bereitschaft, sich mit den Herausforderungen der Wirtschaft angesichts knapp werdender Ressourcen und dem Klimawandel auseinanderzusetzen, ist bei den Schüler*innen erfreulich hoch. Sicherlich hat dazu beigetragen, dass mit der im letzten Jahr entstandenen „Fridays for Future“-Bewegung das Bewusstsein für diese Themen in die Altersgruppe junger Erwachsener verankert worden ist. In Gesprächen mit den Schüler*innen ist zu merken, dass diese sich meistens bereits gedanklich mit den Fragen eines Transformationsprozesses der Wirtschaft zu umwelt- und ressourcenschonender Produktion beschäftigt haben. Sie stellen außerdem Überlegungen an, was sie selbst im Alltag, vor allem als Konsument*innen, unternehmen können. Mit unserer Bildungsarbeit zur Bioökonomie sind wir von daher recht nah an der Lebenswelt der Schüler*innen.