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Autoreifen aus heimischem Löwenzahn anstatt aus Kautschuk? Eine Idee der Bioökonomie.
Mit Bioökonomie die Welt retten? Die Wirtschaft steht vor vielen Herausforderungen: Die Bevölkerung wächst, was mehr Agrarfläche wird benötigt, der Einsatz fossiler Rohstoffe soll sinken und der Naturschutz steigen. Das Wissenschaftsjahr 2020 ist der Bioökonomie gewidmet, die eben diese Probleme angehen will, um zum Beispiel biologisch abbaubaren und biobasierten Plastik zu erforschen und zu entwickeln. Aber wie kann eine Disziplin für so viele Probleme so viele verschiedene Lösungen bieten? detektor.fm-Redakteurin Maureen Welter hat mit Prof. Dr.-Ing. Daniela Thrän, Leiterin des „Department Bioenergie“ am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, gesprochen.
Für die Bioökonomie gibt es nicht nur eine Definition, sondern verschiedene und die Antwort variiert, je nachdem wen beziehungsweise welchen Forschungsbereich man fragt. Für Daniela Thrän bedeutet es: „Biologische Prozesse nutzen und verstehen, um unsere Wirtschaft nachhaltiger zu gestalten.“ Forschung und Wirtschaft lassen sich für neue Produkte von der Natur inspirieren, um vor allen Dingen, fossile durch nachwachsende Rohstoffe zu ersetzen. Zu diesen Produktrevolutionen zählen zum Beispiel Autoreifen aus Löwenzahn. Bisher wird für die Reifenproduktion Kautschuk aus Kanada importiert, der dort in Monokulturen angebaut wird. Mit der „Unkraut“-Alternative, die wortwörtlich vor unserer Haustür wächst, kann man CO2-Transportkosten sparen.
„Bio“ und „Ökonomie“ – Widerspricht sich das?
Wie passen Ressourcenschonung und –nutzung zusammen? Die Bioökonomie möchte genau diesen Widerspruch vereinen: „Wir wollen die Ressourcen schonen und gleichzeitig auch nutzen. Das kann man zusammenfassen in: Wir wollen die Ressourcen schonend nutzen. Schonend heißt, dass die Basis für die Ressourcen erhalten bleibt. Man muss sich Gedanken machen, um den Erhalt der Artenvielfalt, man muss schauen, dass die Böden die Qualität behalten (…). Es gibt viele Elemente, die da reinspielen, dass der Naturhaushalt weiterhin diese Ressourcen zur Verfügung stellt.“, sagt Thrän. Wenn die Bioökonomie wirklich nachhaltig werden will, gibt es viele Faktoren, die mitgedacht werden müssen – das geht nur durch interdisziplinäres Arbeiten.
Bioökonomie als Innovationsquelle
Der Platz für landwirtschaftliche Flächen ist begrenzt. Was passiert, wenn auf den Agrarflächen Löwenzahn für Autoreifen anstelle von Nahrungsmitteln für Menschen angebaut wird? Eine der zentralen Ziele der Bioökonomie ist es, den Ackerraub als Thema nicht zu vernachlässigen. Für unser Beispiel heißt das: Löwenzahn wächst auch dort, wo man gar keinen Ackerbau betreiben könnte – hier gibt es also eine intelligente Nische. Es geht nicht einfach nur um neue Bioprodukte, sondern auch darum, in welchen Industriezweig und auf welche Weise man CO2 einsparen kann: „Im Moment verwenden wir 70 % unserer Ackerflächen für die Produktion von Fleisch und Milch“, erklärt Thrän. Das, was am Ende an Fleisch und Milch für den Menschen zur Verfügung steht, ist ein Bruchteil der Energie und Nahrungsmittel, die für die Versorgung der Tiere gebraucht wurde. Um den Proteingehalt zu deckeln, gibt es auch alternative Quellen, dadurch ist die Versorgung gesichert und der Flächendruck kann gesenkt werden. „Von der Energie, die es braucht, um ein Schwein zu züchten, kommen nur 15 % am Ende bei uns an und das ist natürlich alles andere als nachhaltig.“, ergänzt Welter.
Ein direkter und konsequenter Verzicht von Fleisch- und Milchprodukten wäre sinnvoll, die Bioökonomie schlägt noch einen anderen Weg vor: „Die Bioökonomie versteht sich in erster Linie als Innovationsquelle neuer Produkte und will nicht wirklich Verbote aussprechen, deswegen forscht sie daran, welche Alternativen es als Fleischkonsum für uns geben kann.“, sagt Welter. „Bioökonomie meint erstmal: Wir machen es besser als vorher (…). Alternative Proteinquellen, eine künstliche Fleischproduktion, alternative Wege dorthin.“, so Thrän, „In einer nachhaltigen Wirtschaft müssen die ökologische Seite, die soziale Seite und die ökonomische Seite gut zusammenspielen.“
Konsum und Bioökonomie
Dass alle diese Seiten berücksichtigt werden sollen, war nicht immer selbstverständliches Leitbild der Bioökonomie – was von einen NGOs kritisiert wurde. Nach Auffassung des NABUs könne die Transformation der Wirtschaft nur dann gelingen, wenn wir generell weniger verbrauchen. Die Bioökonomie will die Produktion prinzipiell nicht verbieten, sondern es geht vor allem um die umweltschonenderen Alternativen. Solche alternativen Produkte, die es bereits vom Labor in die Wirtschaft geschafft haben sind beispielsweise Burger aus Insekten, Zahnbürsten aus Bambus oder Fahrräder aus heimischen Holz. Es gebe sogar Handydisplays aus Zucker, die bruchfester als herkömmliche Displays aus Glas seien, berichtet Thrän – und alle diese Produkte kann man bereits im Handeln kaufen.
Den Podcast anhören:
Einen weiteren Artikel zum Nachlesen finden Sie hier: https://detektor.fm/wissen/forschungsquartett-biooekonomie
Autorin: eileen.winkendick@kwi-nrw.de