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Die Kosmetikindustrie setzt zunehmend auf Naturstoffe und bioaktive Inhaltsstoffe, die mithilfe biotechnologischer Verfahren gewonnen werden. Sie entsprechen nicht nur dem Wunsch der Verbraucher*innen nach biobasierten, nachhaltigeren Produkten, sondern weisen ganz neue Eigenschaften und Wirkmechanismen auf.
Pflanzliche Rohstoffe bilden seit der Frühzeit der Menschen eine wichtige Quelle für kosmetische Produkte. Das ist heute noch so, nur dass mit den Möglichkeiten der Biotechnologie auch Inhaltsstoffe nutzbar geworden sind, die sich noch vor wenigen Jahren nicht in der notwendigen Menge gewinnen oder herstellen ließen. Gleichzeitig ist die Branche bemüht, Inhaltsstoffe, die bislang auf petrochemische Verfahren zurückgehen, künftig aus biologischen Ressourcen zu gewinnen. Das verspricht mehr Nachhaltigkeit und neue Eigenschaften der Produkte.
Für Interessierte:
Naturkosmetik und biobasierte Kosmetik
Naturkosmetik und biobasierte Kosmetik
Die Verbraucherwünsche nach mehr Nachhaltigkeit und „weniger Chemie“ in Konsumartikeln prägen längst auch die strategischen Entscheidungen in der Kosmetikbranche. Streng genommen kehren die Hersteller damit zu den Wurzeln ihrer Branche zurück, denn schon in prähistorischen Zeiten haben Menschen natürliche Wirkstoffe als Kosmetika oder Duftstoffe genutzt: So konnten Archäologen in einer Höhle im französischen Lascaux pflanzenbasierte Hautfärbemittel nachweisen. Und Assyrer wie Babylonier waren bekannt dafür, mit aromatischen Substanzen aus Blumen und Harzen ihren Tempeln eine spezielle Atmosphäre zu verleihen.
Mehrere Begriffe sollen heute im Marketing die Verbraucherwünsche nach natürlichen und nachhaltigen Produkten aufgreifen, doch trotz ähnlicher Formulierungen verbergen sich dahinter unterschiedliche Bedeutungen. „Natürlich“, „bio“ oder „pur“ – all diese Begrifflichkeiten sind im Kosmetikbereich nicht gesetzlich definiert. Allerdings dürfen die verwendeten Schlagwörter Verbraucher*innen nicht in die Irre führen. Mit der ISO-Norm 16128-2:2017 existiert eine Definition, anhand derer der Anteil natürlicher Inhaltsstoffe für Natur- und Biokosmetik berechnet werden kann. Bislang ist die Norm jedoch nicht weit verbreitet. Zudem hat sie bereits Kritik erfahren, denn Wasser ist darin als natürlicher Inhaltsstoff definiert. Dies ermöglicht es, ein Produkt mit synthetischen Wirkstoffen als „natürlich“ zu vermarkten, wenn es nur genügend Wasser enthält. Weil anders als bei Lebensmitteln die Inhaltsstoffe nicht mit ihren Mengenanteilen auf der Verpackung aufgeführt werden müssen, bleibt für die Verbraucher manches intransparent. Allerdings gilt auch für Kosmetika, dass Hersteller die Zutaten nach Gewicht absteigend sortiert aufführen müssen.
Darüber hinaus existieren eine Reihe von Siegeln, mit denen Hersteller für die Natürlichkeit ihrer Produkte werben: Natrue, BDIH, Ecocert und der Cosmos-Standard. Gemein ist den Siegeln, dass sie Inhaltsstoffe auf Erdölbasis, Silikone, gentechnisch veränderte Organismen sowie synthetische Fette, Öle und Duftstoffe ausschließen. Teilweise werden zudem Mindestanteile ökologisch angebauter Rohstoffe vorgeschrieben.
Genauso wie chemisch erzeugte Inhaltsstoffe können biobasierte Inhaltsstoffe im Einzelfall hautreizend sein oder Allergien hervorrufen. „Natürlich“ bedeutet somit nicht automatisch einen gesundheitlichen, wohl aber einen ökologischen Vorteil.
Neben Produkten, die insbesondere pflanzliche Rohstoffe verwenden, sind auch biotechnolo
gische Kosmetikprodukte biobasiert. Entweder werden die biotechnologischen Möglichkeiten genutzt, um bestimmte Inhaltsstoffe aus pflanzlichen Rohstoffen zu erschließen, oder bestimmte natürliche Stoffe werden gezielt in Zellkulturen produziert. Gegenüber traditionellen Methoden eröffnet die Biotechnologie besonders nachhaltige Produktionsmethoden sowie eine gesicherte, gleichförmige Qualität, die bei Naturprodukten sonst oft nicht gegeben ist.
Als Rohstoff kommen zudem neue Quellen wie pflanzliche Reststoffe und Algen infrage. Nicht zuletzt lassen sich biotechnologisch bioaktive Moleküle erzeugen und optimieren, die neuartige Pflegewirkungen ermöglichen.
Biotechnologie und Kosmetik
Für die Gesundheit der Haut und den Schutz vor Umwelteinflüssen spielen spezielle Eiweiß- und Fettmoleküle eine wichtige Rolle. Die moderne Kosmetikindustrie setzt daher immer stärker auf die Kraft solcher Biomoleküle. Ob Ceramide, Coenzym Q10 oder Polyphenole – die Naturstoffe lassen sich biotechnologisch einfacher gewinnen und sie sind dazu noch stabiler.
Bei Körperpflegeprodukten greifen die Hersteller bereits seit Langem auf spezielle bioaktive Inhaltsstoffe zurück. Schon seit mehr als 30 Jahren sind rückfettende Naturstoffe wie Ceramide, Vitamine wie Folsäure oder spezielle Coenzyme wie Q10 in Kosmetik- und Pflegeprodukten enthalten. Damit sie für die industrielle Nutzung verfügbar sind, musste jedoch zunächst ihre Herstellung mithilfe biologischer Fabriken wie Zellen oder Bakterien entwickelt werden. Die Mikroorganismen produzieren dadurch die gewünschten Biomoleküle in großen Stahlbehältern. Diese Prozesse sind heute vielfach als Standard in der Kosmetikbranche etabliert. Zum Beispiel Q10: Das Coenzym ist für den Energiestoffwechsel der Haut wichtig, zudem macht es aggressive Sauerstoffmoleküle (freie Radikale) unschädlich. Q10 wurde noch in den 1970er Jahren aus Rinderherzen extrahiert. Mehr als 1.000 US-Dollar kostete ein Gramm des auch Ubichinon genannten Stoffes. Durch die fermentative Herstellung in Hefezellen fiel der Preis auf nur noch einen Bruchteil. Heute findet Q10 auch in preiswerten Kosmetika Anwendung.
Der Vorteil: Je nach ausgewähltem Produktionsorganismus lassen sich Produkte mit höchster Qualität selektiv herstellen. Zunehmend gefragt sind in der Kosmetikindustrie bioaktive Naturstoffe für den Einsatz in sogenannten Wirkkosmetika. Biomoleküle sind dabei jedoch sehr empfindlich. Sie stellen hohe Ansprüche an die Verarbeitung und die Formulierung von Kosmetikprodukten.
Wie wirken biotechnologisch hergestellte Kosmetika? Sie beeinflussen Stoffwechselprozesse der Haut: Inhaltsstoffe aus Bakterien und Pilzen sowie Naturstoffe haben antioxidative Eigenschaften und wirken als Radikalfänger, vermindern oxidativen Stress und treten der Hautalterung entgegen. Andere Wirkstoffe aktivieren die Mikrozirkulation der Haut und verbessern die Nähr- und Sauerstoffversorgung.
Zu den bioaktiven Inhaltsstoffen, die biotechnologisch hergestellt werden, gehören Peptide, Lipide, Vitamine und Zucker. Während diese Moleküle prinzipiell auch mit chemischen Methoden hergestellt oder aus Pflanzen gewonnen werden können, sind die Moleküle häufig zu komplex, um sie chemisch zu synthetisieren. In der Natur sind sie selten in einer Konzentration vorhanden, ab der eine Aufreinigung wirtschaftlich wäre. Die Biotechnologie kann Mikroorganismen jedoch so optimieren, dass sie bestimmte Enzyme in hoher Konzentration herstellen – und diese dann ein bestimmtes bioaktives Produkt.
Haben Forscher ein Molekül identifiziert, das eine kosmetische Funktion besitzt, müssen sie zunächst herausfinden, welche Enzyme in den Zellen dieses Molekül herstellen. Anschließend ist es mit molekularbiologischen Methoden möglich, dieses Enzym zu optimieren oder in Datenbanken nach verwandten, möglicherweise besser geeigneten Enzymen aus anderen Organismen zu suchen. Letztlich ist dabei das Ziel, ein Enzym bereitzustellen, das unter definierten Prozessbedingungen (Temperatur, Druck, pH-Wert) eine möglichst hohe Aktivität entfaltet und möglichst spezifisch das gewünschte Molekül produziert. Als Produktionsorganismen kommen viele Lebewesen infrage: Bakterien, Pilze, pflanzliche Zellen und Algen – selten auch ganze Pflanzen. Entscheidend ist meist, in welchem Organismus das Enzym gut funktioniert, welcher Organismus auf einem günstigen Substrat wächst und bei welchem Organismus sich das Produkt schließlich möglichst unkompliziert isolieren und aufreinigen lässt.
Neben den zahlreichen neuen Möglichkeiten, die sich so eröffnen, ersetzt die biotechnologische Herstellung vielfach etablierte chemische Prozesse. Die Prozessbedingungen für Bioreaktoren sind nicht nur wesentlich milder und energiesparender. Meist erledigt ein Enzym auch mehrere herkömmliche Reaktionsschritte auf einmal und verkürzt so den Prozess. Nicht zuletzt sorgt die hohe Spezifität der enzymatischen Reaktion dafür, dass es weniger Abfallstoffe gibt.
Informationen zu einzelnen biobasierten Produkten, wie Sonnencremes, Haarpflegeprodukten oder Parfüms finden Sie >HIER<
Autor: Björn Lohmann, Philipp Graf